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12 Dezember

01.12.12  


Demonstrationszug der Mursi-Gegner zum Tahrirplatz gestern. Eine noch größere Menge strömt heute auf das Gelände der Kairo-Universtät, wo die Menschen für die Scharia und für Mursi demonstrieren. Reporter von Ahram-Online interviewen manche Demonstranten und diese offenbaren, mit dem was sie sagen, ein unfassbares Unwissen über die tatsächlichen politischen Gegebenheiten.

Serpil Turhan besucht mich zum zweiten Frühstück. Wir sprechen über die Ablehnung meines Antrags beim BKM, und wie es bei mir weitergeht. Und auch über einen Film, der von einer iranischen Regisseurin in Ägypten gedreht wurde, und den die Cutterin ihres Abschlussfilms geschnitten hat. Darin geht es um einen Ägypter, der mit einem kleinen Bus durch die Dörfer fährt, und den Menschen dort erklärt, was "Demokratie" ist.
Neue Fotos von meiner Freundin aus Kairo. Zur Muslimbrüder-Demo ist sie mit Sicherheit nicht gegangen.



02.12.12   Gestern Abend habe ich "Status of Life" den Abschlussfilm bei der dffb von Patricia Lewandowska gesehen. Es geht darin um HIV und Aids in Südafrika. Der Weg dahin führte mich in ein buntes Weihnachtsparadies am Potsdamer Platz.







Das Sony-Center vom 9. Stock aus gesehen.

Patricia Lewandowska war bei "INS BLAUE" meine Kameraassistentin und hat mir auf meine Frage, ob sie Kamera machen würde - bei einem Film ohne Geld - mit "Ja" geantwortet.
Ich hänge schon wieder im Netz und lese Twitter-Nachrichten aus Ägypten. Das von Pro-Mursi-Anhängern seit gestern Nacht belagerte Verfassungsgericht, das heute über die Rechtmäßigkeit der verfassungsgebenden Versammlung und auch deren Verfassungsentwurf entscheiden sollte, soll seine Entscheidung aus "verwaltungstechnischen Gründen" vertagt haben. Es ist wie ein gigantisches Schachspiel mit dem Schicksal von 80 Millionen Menschen.

Der Tahrirplatz heute morgn beim Aufwachen.

Drei neue Mauern sind gebaut worden. Auf dieser Mauer das Bild einer berühmten ägyptischen Bauchtänzerin. Der Text dazu: die Muslimbrüder müssen Bauchtanz lernen!

Das "Revolutionsmuseum" auf dem Tahrirplatz.
Spiegel-Online meldet (LINK), dass das ägyptische Verfassungsgericht "auf unbestimmte Zeit" nicht mehr arbeiten will, denn die Richter wurden am Morgen von Mursi-Anhängern am Betreten des Gerichtsgebäudes gehindert.
Auf der Seite von Egypt Independent (LINK) kann man seit heute die zweihundertvierunddreißig Paragraphen der umstrittenen Verfassung in englischer Übersetzung lesen!
Und auf der Seite von RapGenius (LINK) können die gelb unterlegten Paragraphen der Verfassung kommentiert werden. Aber alle andereren Paragraphen auch, dazu muss man Mitglied bei RapGenius werden. Eine Wahnsinnsidee, die ägyptische Verfassung wie einen Rap-Song zu behandeln.
03.12.12   Die Mursi-Gegner haben gestern zu einer "Letzte-Warnung-Demo" vor dem Präsidentenpalast am Dienstag aufgerufen. Die Polizei hat schon in der Nacht von Sonntag auf Montag die Straßen mit Stacheldraht drumherum abgesperrt und jede Menge gepanzerter Polizeifahrzeuge auffahren lassen.
Ich fahre mit der U-Bahn zur Adventsparty von Jochen Brunow und Irene Schlebes. Hans-Helmut Prinzler übergibt mir da ein bei Reclam erschienenes Buch "Neuer Deutscher Film". Es ist Michael Althen gewidmet. Und darin enthalten ist ein Text von Karlheinz Oplustil zu "DETEKTIVE" und ein Text von Michael Althen zu "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Man hatte mir zwar schon früher mal erzählt, dass Michael Althen die Szene, wo Hanns Zischler am Klavier singt und Sabine Bach ihm zuhört, bis zu hundertmal angeschaut hat, aber geschrieben hatte er darüber noch nie. Jetzt hat er das getan und ist danach gestorben.

Das Altersheim in der Fidicinstraße bei Nacht.

Der Kurfürstendamm.

Jochen Brunow und Irene Schlebes - meine ältesten Freunde in Berlin. Bei der Einweihung des Klick-Kinos am Stuttgarter Platz 1973 haben die beiden sich wild geküsst.

Am Morgen im Steuerbüro unterschreibe ich die Bilanzen und Steuerklärungen und wir besprechen meine finanzielle Zukunft. Jetzt bin ich wieder auf dem Bauernhof und wundere mich darüber, dass mein Teich schon zugefroren ist. In Berlin kriegt man das Wetter einfach nicht so richtig mit.
04.12.12  
In Ägypten streiken heute 12 Zeitungen und morgen 5 Fernsehstationen.

Auf Foreign Policy erscheint soeben online ein Artikel über die Situation in Ägypten (und was die Amerikaner falsch gemacht haben) mit der Überschrift: "Mubarak with a Beard" (LINK).
Bei Twitter erfahre ich, dass die Mursi-Gegner auf ihrem Weg zum total von Stacheldraht und Polizisten abgesperrten Präsidentenpalast rufen: "Shave your beard show your face you will find Mubarak".
Und jetzt 17.30 Uhr setzt die Polizei vor dem Präsidentenpalast Tränengas ein. Kurz danach hat Mursi den Präsidentenpalast verlassen. Hätte er Mut besessen, hätte er zu den Demonstranten gesprochen. So wie vor einer Woche vor seinen Anhängern.
05.12.12  
Auf den Fahnen der Demonstranden steht:" NEIN zur Verfassung".

Gestern haben sich über hundertausend Mursigegner vor dem Präsidentenpalast versammelt. Die Muslimbrüder sagen, dass es nur ein paar hundert waren. Sie rufen heute ihre Anhänger zu einer großen Gegendemonstration vor dem Präsidentenpalast auf, wo noch immer Mursigegner in Zelten kampieren. Sollte es dabei zu Kämpfen kommen, ist das eben so (LINK), berichtet AhramOnline. Ist das ein Aufruf zum Bürgerkrieg?

Wow! Sandmonkey (LINK), der die Revolution vor zwei Jahren in seinen "Rantings of a Sandmonky" begleitet hat und dessen Texte ich seitdem regelmäßig lese, schreibt heute einen offenen Brief an die ägyptischen Muslimbrüder, der ganz klar und kühn ist.
Wenn die Muslimbrüder mit ihrer Politik - die schon lange keine Politik, sondern eine freche Attacke auf den Staat ist - durchkommen, kommt er mit Sicherheit ins Gefängnis. Wenn nicht, wenn eine Mehrheit der Ägypter mit "Nein" am 15. Dezember stimmt, sollten die Mursigegner ihn zum Anführer und vielleicht einmal zum künftigen Präsidenten machen. Auf jeden Fall ist er ein Mann, der intelligent ist und der sich was traut. Ich schreibe schon mal: Sandmonkey for President!
Eine ägyptische Bloggerin (LINK) weiß noch mehr: zum Beispiel, dass bereits ein Feldlazarett heute am Präsidentenpalast eingerichtet werden soll und dass die Ultras Ahlawy, die am besten organisierte Gruppe während der Revolutionstage, heute da sein werden, um die Mursigegner zu unterstützen. Auf ihrem Blog beschreibt sie sich so:" I am just Egyptian girl who lives in the present with the glories of the past and hopes in a better future for herself and for her country."
Ich fürchte, ich brauche auch einen Twitter-Account. Es geht schon los. Mursianhänger zerstören die Zelte und schlagen ihre Bewohner zusammen. Weit und breit keine Polizei.

Bei mir auf dem Bauernhof fallen immer wieder mal ein paar Schneeflocken. Wenn bloß Allah in Ägypten das auch machen könnte! Die Islamisten würden sich wundern und vielleicht anfangen nachzudenken. Immerhin ist bei ihrer Demonstration am letzten Samstag ein Baum umgefallen und hat einen Teilnehmer getötet.
Beim Twitteraccount von Sandmonkey lese ich, dass alle Facebook-Seiten in Ägypten nicht mehr erreichbar sind. Es ist wirklich jetzt wieder so wie während der Revolution im Januar vor zwei Jahren.
06.12.12  


Gestern Abend vor dem Präsidentenpalast: 5 Tote, 446 Verletzte. Seit heute morgen hat das Militär 3 Panzer vor dem Präsidentenplast aufgestellt.
Unter diesem Link kann man eine deutsche Übersetzung der umstrittenen ägyptischen Verfassung lesen.
Das "Hacktivist collective Anonymous" schickt eine Botschaft an Präsident Mursi:
"To Dr. Morsi: Anonymous will not sit by and watch you washing away what thousands of Egyptians got killed and injured for. It’s your duty to listen to your own people. The decisions you made have cause the death of 3 young Egyptians in addition to hundreds more injured. In addition, your organized propaganda is portraying your legitimate opposition as if they are opposing the revolution, which you are destroying.
When you ignore this message, not only will we attack your organization’s websites, Anonymous will also make sure that you stand exposed against your people as well as the international community. Anonymous will not spare anybody who supports such crimes.
"

Jetzt kommt auch hier der richtige Schnee. Ich habe schon mal mein Vogelfutterhäuschen aufgestellt und Vogelfutter reingetan.

In Kairo wird die Umgebung des Präsidentenpalasts ab 15 Uhr von Demonstranten geräumt werden. Für 16 Uhr sind neue Demonstrationen angekündigt. Präsident Mursi will heute noch eine wichtige Rede an sein Volk halten.

07.12.12  




Mein neuer Weihnachtsbaum, denn der vom letzten Jahr ist eingegangen.



Neue Grafitti an der Mohammed Mahmud Street.

Bei mir geht die Sonne unter. 241 Grad Südwest sagt der Kompass im iPhone. Im Winter habe ich das noch nie gesehen. Im Garten war die tiefste Temperatur von gestern auf heute minus 11 Grad.
In Kairo gibt es heute mehrere Demonstrationsmärsche zum Präsidentenpalast. Jemand twittert, es sind bereits zu viele und dass es deshalb keine neuen Kämpfe geben wird. Ein paar junge Leute haben allerdings schon die Stacheldrahtabsperrung durchbrochen. Die Armee hat gesagt, sie kämpft nicht gegen das ägyptische Volk.
18.15 Uhr Demonstranten stehen auf den Panzern der Präsisentengarde. Der Justizminister sagt, Mursi sei bereit, die Volksabstimmung über die Verfassung zu verschieben, wenn sich die Opposition mit ihm an einen Tisch setzt. Hat Obama Mursi heute ein zweites Mal angerufen und ihm die Pistole auf die Brust gesetzt?

Demonstranten und Soldaten auf einem Panzer.

08.12.12  
Ich mache heute im Schnee mal ein Feuerchen. Ich brauche das. Warum weiß ich nicht.

Demonstranten gestern auf dem Tahrirplatz. Noch dürfen sie das. Heute will Mursi ein neues Gesetz bekannt geben, dass es dem Militär erlaubt, Zivilpersonen zu verhaften und zu verurteilen. Es wird nicht leicht, unter seiner Herrschaft in Ägypten zu leben.

Die Straßen sind öffentliches Eigentum. Sie zu bemalen wird bald ein Verbrechen sein.

Die Mauer allerdings ist Eigentum der amerikanischen Universität.

Eine Ausländerin ist Freiwild für Islamisten. Meine Freundin sagt, dass es eine Ägypterin sei. Ich sage, aber sie hat blonde Haare. Ihre Antwort: es gibt auch Ägypterinnen, die blonde Haare haben.

Ich kann zwar kein Arabisch, aber der Mann auf dem Schoß eines Islamisten ist ganz klar Mursi. Auch auf der Mauer der amerikanischen Universität ist die Beleidigung des Präsidenten strafbar. Wie bei Putin in Russland zwei Jahre Gefängnis. Da Ägypten kein Sibirien hat, wird vorher gefoltert, was der Betroffene gerade noch aushält. Das war allerdings auch unter Mubarak so.

09.12.12   Die deutschen Zeitungen schreiben heute morgen: Mursi hat eingelenkt und seine Dekrete vom 22. November zurückgezogen. Das Referendum zur Verfassung soll trotzdem am 15. Dezember stattfinden. Bei Twitter kommentiert das eine Jounalistin so: "That's like me... giving my husband back the ATM card after I've already withdrawn all the money."

Tahrirplatz gestern Morgen: Bilder von verletzten Mursi-Gegnern von Mittwochnacht. Wie es dazu gekommen ist, kann man bei Egypt Independent (LINK) lesen.

Der Text über den gelben Tüchern heißt: GENUG!

Fotos der sechs Getöteten von Mittwochnacht.

Das Grafitto Mubarak/Tantawi/Mursi war gestern auch schon am Präsidentenpalast zu sehen.
In Kairo fliegen F-16 Kampfjets im Tiefflug über die Stadt. Das Militär will uns sagen, wir sind auch noch da, twittert jemand.
Bei mir auf dem Bauernhof ist jetzt ein Schneesturm ausgebrochen: 4 bis 5 cm Schnnee schon nach einer halben Stunde.

Beinahe hätte ich vergessen, dass heute 2. Advent ist.

10.12.12  

"Der Staat als Bazar" (LINK)schreibt die Süddeutsche Zeitung gestern Abend über das, was in der letzten Woche in Ägypten passiert ist. Aber in der Nacht von Gestern auf Heute hat Ägyptens Präsident Mursi ein neues Kunststück der Gesetzgebung vollbracht. Am Sonntagnachmittag wurde eine Steuererhöhung bekannt gegeben (unter anderem auf Alkohol, Tabak und Benzin) und heute um 2.30 Uhr per Facebook wieder rückgängig gemacht. Ob er wohl diesen Tweet gelesen hat: "Historically, if u want to piss off Egyptians, mess with 3 things: bread, petrol, tobacco."

Gestern waren es noch minus 14 Grad, heute etwas über null Grad. Der Schnee ist perfekt zum Schneemann-Bauen.
Morgen wird ein schwieriger Tag für Ägypten. Mursi-Gegner und Mursi-Anhänger rufen beide zu Demonstrationen auf. Die Mauer am Präsidentenpalast ist seit gestern dreimal so hoch. Davor stehen mehrere Panzer. Bis zum Referendum über die Verfassung am Freitag hat - seit heute - das Militär das Recht, mehr oder weniger jeden festzunehmen, das heißt doch, ab jetzt herrscht in Ägypten Kriegsrecht.
Wer sich genauer über die Situation in Ägypten informieren will, vor allem über die Verbindungen zwischen den Muslimbrüdern und dem noch immer vorhandenen Mubarak-Staat und dem Militär informieren will, findet auf Jaddalaya (LINK) eine ausführliche Analyse.
Auf Foreign Policy (LINK) beschreibt ein US-Professor die Lage aus seiner Sicht.

11.12.12  

In der Nacht werden die Mursi-Gegner, die in Zelten auf dem Tahrirplatz schlafen, von einem Trupp maskierter Männer mit Gewehren angegriffen. Die Absicht, die dahinter steckt ist klar. Die Muslimbrüder wollen die für heute geplanten Demonstrationen so klein wie möglich halten.
Auf Foreign Policy (LINK) malt ein ägyptischer Journalist das Bild einer vielarmigen Krake "The President's Six Hands".
Und hier schreibt Sandmonkey (LINK), jetzt richtig wütend und fassungslos über die Haltung der liberalen ägyptischen Politiker.

12.12.12  
In der Nacht hat es wieder geschneit, aber heute scheint die Sonne.

Gestern Nachmittag ist auf dem Tahrirplatz nicht viel los. Die Demonstrationszüge der Mursi-Gegner ziehen alle zum Präsidentenpalast.

Das englische AlJazeera berichtet von den Mursi-Gegnern am Präsidentenpalast, das arabische AlJazeera von der Demonstration der Mursi-Anhänger. Der Sender spiegelt die Spaltung Ägyptens.

Zum ersten Mal in meinem Leben fahre ich Fahrrad im Schnee. Bei minus 9 Grad. Allerdings nur 3 Kilometer.

13.12.12   Die Revolution in Kairo ist umgezogen zum Präsidentenpalast. Am Tahrirplatz werden nur noch die Toten betrauert.





Für juristisch Interessierte. Zwei Professoren (LINK) erklären die beiden Paragraphen (§2 und §219), in der ägyptischen Verfassung, wo es um die "Prinzipien der islamischen Scharia" geht und über die am Samstag das ägyptische Volk mit Ja oder Nein abstimmen wird. Vor allem das, was im §219 steht, dürfte für 99,9% aller Ägypter (einschließlich der Muslimbrüder!) unverständlich sein. Aber die Gefahr, die Ägypten droht, wenn diese Verfassung von der Mehrheit der Wähler akzeptiert wird, wird darin dunkel spürbar…

…ob es nur bei dieser Zukunftsvision dann bleibt, glaube ich nicht.
Wenn ich 20 Jahre alt wäre und gerade mein Abitur gemacht hätte, würde ich sofort Arabisch lernen, zum Islam konvertieren und dann in Ägypten Islamisches Recht studieren und dann da Rechtsanwalt werden. Aber leider bin ich 73 Jahre alt und Filmregisseur und kann nur ohnmächtig zuschauen.
Trotz allem plane ich noch immer, einen Film in Ägypten zu drehen. Um einen Film auf einer Südseeinsel drehen zu können, habe ich drei Jahre gebraucht. Einen Film in Ägypten zu drehen, könnte genau so lang dauern.
Meine Tochter Joya hat mir gerade per SMS mitgeteilt, dass sie für ihren Kurzfilm im FBW-Hauptausschuss kein "Besonders Wertvoll" gekriegt hat. Sie muss kämpfen. Ich bekam erst für meinen vierten Kurzfilm dieses Prädikat vom FBW-Hauptausschuss, das damals und auch heute Geld von der Filmförderungsanstalt bedeutet hat.
14.12.12   Auf diesen Artikel im Züricher Tagesanzeiger (LINK) hat mich ein Moana-Blogleser hingewiesen.
Ich fahre wieder Fahrrad im Schnee und bei starkem Gegenwind. Als ich wieder nach Hause komme, finde ich neue Fotos aus Kairo in meiner Foto-Schatzkiste.

Mohammed Mahmud Street.



Straße zum Tahrirplatz. Heute Mittag. Die arabischen Zeichen sagen: Hau ab! (Die Verfassung ist) Ungültig!

Ein Imam predigt auf dem Tahrirplatz. Das Bild auf dem Transparent vor ihm zeigt einen getöteten Fotoreporter.
Die Leute vom 6. April Movement, die ganz wesentlich zur Revolution vor zwei Jahren beigetragen haben, haben in ganz Ägypten über 3 Millionen Flugblätter verteilt, und die Menschen über die Verfassung aufgeklärt. Ich finde das bewundernswert, denn fast alle in Ägypten glauben, dass die Muslimbrüder das Referendum gewinnen werden. Wenn nicht durch Wählerstimmen, dann durch Wahlfälschungen. Viel wird davon abhängen wie die "Couch Party" - das sind die Leute, die bei der Revolution zuhauhause vor ihrem Fernseher, nur zugeschaut haben, sich morgen entscheiden werden. Werden sie wählen oder wieder zuhause bleiben, weil sie denken, dass die Muslimbrüder sowieso gewinnen werden.
15.12.12   Das Referendum in Ägypten hat begonnen. Einer der Allerersten war Mursi (um 8.02 h) selbst. Ich frage mich, wo er seine Frau gelassen hat und merke dann, dass Männer und Frauen an verschiedenen Orten wählen müssen. Mursi hat sich übrigens entschieden, in dem Wahllokal zu wählen, in dem Mubarak immer gewählt hat.

Danke an einen unbekannten Twitterer.

Gestern Abend war der Dorfteich noch weiß. Heute ist es nass, kalt und scheußlich.
Es sieht nicht gut aus, sagt meine Freundin seitdem die Muslimbrüder Ägypten regieren. Heute morgen beim Lesen all der Tweets war ich noch anderer Meinung. Jetzt, nachdem ich verschiedene Berichte von Wahlfälschungen gelesen habe, sehe auch ich schwarz. Vielleicht liegt's am Wetter hier auf dem Bauernhof, denn hier regnet es inzwischen Bindfäden.
Zwei Tweets:
Will vote with NO for all women of Egypt, we're not a piece of flesh not allowed to leave the kitchen & bedroom.
Vote 'YES' and keep women at home. Men of this nation deserve better sandwiches.
16.12.12  


Ich feiere den 3. Advent und lese die Wahlergebnisse in Ägypten. 56,5 % haben mit Ja, 43,5 % mit Nein gestimmt. In Kairo allerdings hat die Mehrheit gegen die Verfassung gestimmt.

Ich werfe noch mal einen letzten Blick auf die Schneereste, bevor ich nach Berlin fahre.

17.12.12   Am Wahltag zum Referendum, habe ich in einigen Tweets gelesen, hätten die Ägypter ernste Gesichter gezeigt. Keine Witze und Scherze, nicht mal über Mursi.

So langsam kommt der Humor wieder zurück. Hier ein Ausblick auf 2013 (LINK), noch dürfen sie das ins Internet stellen.
Ich verbringe den ganzen Tag mit möglichen Lösungen für meine künftigen Finanzprobleme. Lustig ist das auch nicht.
18.12.12   Die Berlinale 2013 zeigt im Wettbewerb den neuen Film von Hong Sang-soo "Nobody's Daughter Haewon". Es geht darin um eine Studentin, die eine heimliche Liebesgeschichte mit ihrem Professor hat.
Über Stand der Dinge in Ägypten (LINK) schreibt Sandmonkey Überraschendes. Er sagt den Untergang der Mursi-Regierung in 2-3 Monaten voraus.
19.12.12  


Dieses Tier habe ich heute am Stuttgarter Platz gesehen.
Ein Studentenfilmteam hat auf der Viennale (LINK) einen kleinen Interviewfilm über "INS BLAUE" gedreht.

23.12.12   Die Muslimbrüder in Ägypten haben es geschafft, ihre Verfassung mit ca. 64 % Ja-Stimmen durchzubringen. Allerdings haben nur 31 % der Wahlberechtigten auch tatsächlich gewählt. Das Wahlergebnis auf Ahram Online (LINK). Das ZDF hat in der Nacht eine Frau im Niquab gezeigt, die sagt, Gott habe dafür gesorgt, dass bei der Wahl alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Der Breitscheidplatz gestern morgem um 10 Uhr. Die Verkaufshütten sehen alle gleich aus und verbreiten sich über Berlin wie eine epidemische Krankheit. So wie die Muslimbrüder in Ägypten.

Zwischen all den Hütten…

…auf der Metallplatte dieses Kunstwerks steht: "Ein Mann, der sich ergötzt an einer Blume, doch ei - wozu das lange Schwert."

Durch Schneematsch und Regen zum 4. Advent auf dem Bauernhof.
24.12.12  


Ich wünsche allen Moana-Blog-Lesern ein frohes Weihnachten 2012!

Noch etwas weniger würde ich von meiner Freundin sehen, wenn sie in Zukunft einen Niquab tragen müsste.
Wir fahren 12 km Fahrrad. Bei leichtem Nieselregen.

Über manchen Äckern hängt eine Dunstwolke.

25.12.12  

Mursis Ägypten.

Auch heute fahre ich wieder 12 km Fahrrad. Morgens scheint ein bisschen die Sonne, aber dann regnet es wieder.
Ein neuer Text von Sandmonkey(LINK) über Ägypten ist sehr deprimierend.
26.12.12  

Mein Dorf. Ich komme vom Brötchen holen. Mit etwas Glück scheint wieder für eine oder zwei Stunden die Sonne.

Die Sonne scheint, aber derVorderreifen meines Fahrrads hat zu wenig Luft. Beim Aufpumpen fluche und schimpfe ich wie ein Rohrspatz.
27.12.12  

Dunkle Wolken über dem Dorfteich…

…und über Ägypten. Präsident Mursi bei seiner Fernsehansprache gestern Abend verspricht, die ökonomische Krise zu beenden und wird deshalb sein Kabinett umbilden.

Denn "Ich bin der allerhöchste Gott".

Mein Fahrrad ist seit gestern im Standbye-Modus. Nach 2 km Fahren war der Reifen wieder platt.

Mein Fahrradhändler hat mir gezeigt, wie man dieses Fahrrad aufpumpen muss. Deshalb kann ich trotz 22,5 km/h Gegenwind wieder 7 km fahren und dieses Foto von den Schafen machen, die sich wegen des Windes auf den Boden gelegt haben.

Bassem Youssef, der wöchentlich eine beliebte satirische Show macht (vergleichbar mit der "Heute-Show" im ZDF) hat sich eine Art Niqab übergezogen, weil Hazem Salah Abu Ismail, ein radikaler Islamist (links oben im Bild) der Meinung war, dass er zu schön sei für das ägyptische Fernsehen. Meine Freundin lacht sich jedesmal halbtot, wenn sie seine Show sieht. Die meisten Shows findet man auf YouTube, allerdings alle arabisch.
28.12.12   Mein Sohn Nicolai ist da. Wir fällen eine ziemlich große Esche, die in diesem Jahr gestorben ist.


29.12.12  

Aufräumarbeiten auf dem Bauernhof - und in Ägypten kehrt eine Bloggerin (LINK) nach drei Monaten Abwesenheit zurück auf den Tahrirplatz und zeigt neue Grafitti an der Mohammed Mahmud Street.

30.12.12  

Der Kurs des ägyptischen Pfunds gegenüber dem Dollar fällt dank Mursi und seinen Muslimbrüdern von Stunde zu Stunde. Wie soll das weitergehen?
Ich fahre mit meiner ägyptischen Freundin 12 km Fahrrad und sehe mit gedämpftem Optimismus auf das Jahr 2013.
31.12.12   Das erste neue Gesetz, dass die neue Legislative in Ägypten, das Oberhaus des Parlaments, vorbereitet, ist eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit: Demonstrationen dürfen nur von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends durchgeführt werden, müssen vorher angemeldet werden und Transparente und Rufe, die den Präsidenten beleidigen, sind verboten. Zuwiderhandlungen werden mit 1 Jahr Gefängnis und/oder 100.000 Pfund Strafe geahndet.
Sechszehnkilometerfahrt zum Körbaer See bei eisigem Wind.

Unterwegs zum See sehe ich diese schlafenden Kühe.

Ich wünsche allen Moana-Blog-Lesern ein gutes Jahr 2013!
   
     

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